
Die Lösung in ein Rätsel verwandeln
Toni Bieli hat der Serigraphie neue Wege erschlossen
Wie kann man sich Kunst erklären? Über diese Frage kamen schon in der Antike die Philosophen ins Grübeln und mittlerweile gibt es Tausende von Versuchen, das Wesen der Kunst zu ergründen.
Einer der interessantesten Vorschläge stammt vom Wiener Karl Kraus (1874 - 1936), der einmal sagte, Kunst sei für ihn, wenn es gelinge, die fertige Lösung in ein Rätsel zu verwandeln. In seinem neueren Schaffen vermag sich der Grenchner Künstler Toni Bieli der Kraus'schen Version von Kunst durchaus zu nähern. Behutsam, Schritt für Schritt, hat er in den letzten Jahren den Übergang von seiner künstlerischen Lösung des "Problems Gestaltung" (nämlich der geometrischen Aufteilung eines Quadrats) zum Rätsel gesucht und gefunden: Aus dem Quadrat heraus "spielt" er heute mit dynamisch und spannungsreich gesetzten Linien und Flächen. Weil er der von ihm gewählten Technik, der Serigraphie, weiterhin die Treue halten wollte, musste er diesem Druckverfahren völlig neue Wege erschliessen.
"Etwas ist mit mir geschehen"
Toni Bieli, der sich beruflich vor allem der Dekoration von Schaufenstern für Uhrenfirmen widmete, begann Mitte der siebziger Jahre mit freier künstlerischer Arbeit. Schnell wurde er mit Siebdrucken bekannt, die der von Max Bill so benannten "Konkreten Kunst" zuzurechnen waren.
Aus der Grundform Quadrat gestaltete er Kompositionen, die in vielfältigen Variationen das Thema stets neu behandelten. Für die Sammler und Freunde der Bieli-Serigraphien (die als Unikate erschienen, wobei von der gleichen Form mehrere Farbversionen möglich waren) kam nie Langeweile auf: Von Jahr zu Jahr liess er sich Neues einfallen, fügte etwa schräg gestellte oder pyramidenförmige Elemente ein und bot vor allem in der Farbwahl ungemeinen Reichtum.
Es kam vor, dass er Siebdrucke fertigte, die mehr als 100 Druckvorgänge benötigten, um den hohen Ansprüchen des Künstlers gerecht zu werden. Als er jedoch den Brotberuf an den Nagel hängte, "ist etwas", wie er jetzt in der Rückschau feststellt, "mit mir geschehen". "Ich fühlte mich wie von Fesseln befreit, konnte plötzlich viel offener denken und fühlte den Drang in mir, Neues zu wagen, Unerschlossenes zu versuchen." Schon ein, zwei Jahre vorher hatte Toni Bieli seine geometrischen Formen von ihrer anfänglichen Strenge befreit und seine Kompositionen mit Kreisformen und einer Art von Pinselstrichen angereichert. Erst als er aber auf die Idee kam, die Serigraphie-Technik genau so wie sich selbst von den Fesseln der hergebrachten Modalitäten zu lösen, konnte er wirklich darangehen, unbekannte Ufer zu betreten.
Mit dem Rakel malen...
"Rakel" nennt man beim Siebdruck ein spachtelförmiges Instrument, mit dem die Farbe durch die Druckform aus Seide hindurch auf den Druckträger (meist Papier) verteilt und gepresst wird. Dieser Druckvorgang wird seit Jahrhunderten gleich gehandhabt und heute bei höheren Auflagen maschinell durchgeführt. Toni Bielis neuartige Technik besteht nun darin, dass er gar keine Druckform fertigt, sondern die Farbe durch das Sieb hindurch in freier Bewegung aufträgt, also mit dem Rakel "malt".
Das hat den Nachteil, dass lediglich ein einziges, unwiederholbares Exemplar gedruckt werden kann, aber den Vorteil, dass mehrere Farben zugleich gedruckt werden können und ein völlig neues Gestalten möglich wird. Toni Bielis neue Serigraphien sind also ein Novum und zugleich ein Paradoxum, weil ja freie Malerei wie von Zauberhand in eine Original-Druckgrafik verwandelt wird. Etwas Ähnliches geschieht übrigens bei der Monotypie-Technik, die freilich einen anderen Druckvorgang und andere Farbkonsistenz bedingt.
Licht-Magie und Rhythmus
Toni Bielis frühere Werke wurden gelegentlich mit "Sinfonien in Form und Farbe" umschrieben, ihnen wurde gleichzeitig eine Affinität zu musikalischen Erscheinungen wie Rhythmus und Klang-Vielfalt zugesprochen.
Das geschieht nicht von ungefähr: Zu Toni Bielis Erlebniswelt gehört unverzichtbar Musik vor allem in klassischer Ausformung. Das hat sich mit seinem neuen künstlerischen Schaffen auch keineswegs geändert. Immer noch, wenn auch nicht mehr so vordergründig, vermitteln seine Kompositonen einen Rhythmus, in dem musikalisches Empfinden mitschwingt.
Noch verstärkt hat sich in seinen neuen "gemalten" Serigraphien die magische Ausstrahlung seiner Farben, die manchmal an Regenbogen-Effekte erinnern oder an Sonnenuntergänge am Meer, wie man sie in südlichen Ländern verwundert und überwältigt zur Kenntnis nehmen kann.
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